Hinter den Schleiern - Cthuloide Welten Sonderband # 2
Rezension von Karsten Sassenberg

Vor einiger Zeit ist der zweite Sonderband der "Cthuloide Welten" erschienen, der mich vom Konzept an den alten Chaosium-Band "From Aeons" erinnert. Denn auch in diesem, mit 120 Seiten Umfang, stattlichen Softcover-Band sind 4 Abenteuer versammelt, welche alle in verschiedenen Zeiten/Settings angesiedelt sind.

Das Cover zeigt eine wundervolle Graphik welche den Betrachter auf das versunkende R´lyeh herabblicken lässt.

Beim ersten Szenario handelt es sich um "Der Zirkel des BapSchattenSeitent" (dessen Setting - Cthulhu 1000 A.D. - im ersten Sonderband vorgestellt wurde) von Steffen Köhn. Da es zur Zeit der (späten) Kreuzzüge spielt - um ca. 1200 n.Chr. - gibt es ein ergänzendes Kapitel mit Informationen, sozusagen "Cthulhu 1200 A.D.". Die Bezeichnung Kapitel finde ich aber übertrieben (aber so bezeichnet es zumindest der Klappentext), da es sich hierbei um ganze magere 3 Seiten mit sehr allgemeinen Informationen handelt, die man problemlos im Internet oder in einen allgemeinen Buch über das Mittelalter nachlesen kann. Hier wäre schon etwas mehr besser gewesen. Dafür liefert das Abenteuer Informationen: die Spieler sind damit beauftragt für einen Gelehrten - Olaus Wormius - ein furchtbares Buch aus Konstantinopel zu bergen. Dies geschieht passiert während der chaotischen Eroberung dieser prunkvollen Stadt, während geplündert wird und Häuser brennen. Und natürlich sind auch andere Personen hinter diesem mächtigen Buch her. Das Szenario an sich verläuft sehr geradlinig, gewinnt aber durch seine aussergewöhnliche Atmosphäre an Reiz, und kann als Kampagnenaufhänger dienen. Denn selbst wenn es den Charakteren gelingt das Buch (bei dem es sich natürlich um Lovecrafts berühmteste Erfindung handelt) zu erobern, so müssen sie es erst einmal zurück nach Italien/Europa schaffen. Das Abenteuer an sich bietet genügend Charaktere und Punkte an dem man weitere Abenteuer anbinden kann.

Das zweite Abenteuer in dem Band - und mit 44 Seiten das Umfangreiste - ist "Der goldene Skorpion" von Frank Heller. Hierbei handelt es sich um das Finale, dessen Vorgeschichte das Einführungsabenteuer "Die Jagd nach Kid Carson" in Cthuloide Welten # 2 vorgestellt wurde. Dieses Szenario ist also für "Cthulhu Wild West", in dessen Verlauf die Charaktere den namensgebenden Schatz zu finden versuchen. Diese Aufgabe führt sie nach Mexiko, in die Hitze und die wasserarme Wüste und die Berge, zu Indianern und einem verborgenen Tal wo Azteken überdauert haben. Mehr sei nicht verraten, aber dies ist das beste Abenteuer des Bandes und ein würdiges Finale.

"Die Spur der schwarzen Katzen" von Ingo Ahrens ist für den "Katzulhu"-Hintergrund und spielt im Arkham der 20er Jahre. Der Autor weist aber daraufhin, dass es ohne Probleme auch in andere Orte versetzt werden kann; auch eine zeitliche Verschiebung bereitet keine Umstände. Auch ist es als Einstiegsabenteuer für das "Katzulhu"-Setting gedacht, also geradlinig ohne grosse Verwicklungen; der Autor gibt an, dass es für alle Beteiligten schon schwierig genug sei aus der Katzenperspektive heraus zu agieren - Unrecht wird er damit wohl nicht haben. Interessant und wohl das exotischste Szenario des Bandes.

"Projekt Pi" von Peer Kröger, der uns unter anderem auch als ein regelmässiger Besucher des Tentacles Convention in Erinnerung ist. Das Szenario spielt in der Gegenwart und ist als "One Shot"-Abenteuer angelegt. Schliesslich werden die Charaktere vorgegeben, bei denen es sich um NAVY SEALS, deren Fertigkeiten mit Schusswaffen nicht selten 100% betragen, handelt. Sie werden entsandt um ein verlassenes US-Forschungsschiff zu untersuchen, an dem auch die Russen ein gewaltiges Interesse haben. Nach diversen Schusswechseln und nervenaufreibenden Entdeckungen wird klar, dass es (natürlich) um Genversuche geht und man den Wissenschaftlern folgen muss. Diese sind - im wahrsten Sinnes des Wortes - abgetaucht, um aus einer versunkenden Stadt Proben zu holen - eine Stadt namens R´lyeh! Dort angekommen verliert das Abenteuer leider an Reiz, da der Showdown innerhalb dieser legendären Stadt für die Spieler ohne grosse Wahlmöglichkeiten verläuft, und in einem Monsterbashing a la AD&D ausarten kann. Man kann dies auch anders arrangieren, und vielleicht mögen gerade erfahrene Cthulhu-Spieler dies als äusserst lustige Abwechslung sehen. Ich aber finde die Sache und die ganze Art der R´lyeh-Präsentation als verschenkt an. Vergleicht man dies mit "Unter Druck" (im Original: "Grace under Pressure" von Pagan Publishing), dann ist "Projekt Pi" da leider Klassen von entfernt. Dies bedeutet aber NICHT, dass es schlecht ist. Jeder kann das Setting erweitern und für einen feuchtfröhlichen Abend (im wahrsten Sinne des Wortes) verwenden, denn dafür ist es bestens geeignet. Cthulhus Sternengezücht wegballern, und endlich mal die High-Tech Sachen zum Exzess ausprobieren! Kurzum: "Aliens", "Die Hard" und alle B-Movies der letzten 10 Jahre aus der Videothek mit schleimigen Viechern meet Cthulhu-Mythos! Feuer frei, und Klappe Sergeant!

Der Nachteil an diesem Band ist, wenn sich jemand nur für ein bestimmtes Setting interessiert. Ach ja: Spielrunden der "klassischen" 20er Jahre gehen leer aus. Auch Spieler der Gegenwart gehen leer aus, dafür ist "Projekt Pi" zu sehr auf ein "einmaliges" Erlebnis gemünzt, obwohl es Anknüpfungspunkte gibt. Also eine Chance vertan? Mitnichten, denn gerade dieser Band zeigt eine der wahren Stärke von CTHULHU! Nämlich wie weit sich dieses System strecken und zerren lässt. Man kann es zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Regionen spielen, und auch ungewöhnliche Wege ausprobieren ("Katzulhu"). Also eine gelungene Inspiration für andere Abenteuer, abseits der üblichen "Cthulhu-Matrix" (20er Jahre, ein Brief kündet von Tode eines entfernten Onkels etc.; siehe dazu auch Cthuloide Welten # 3). Und selbst wenn man keine Kampagnen in diesen Settings ansiedeln möchte, so bekommt man vier gelungene Abenteuer, welche auch als Abwechslung zwischendurch einmal eingeworfen werden können, in der gewohnt gelungenen Pegasus-Aufmachung. So manche Runde kann das bestimmt mit neuer Begeisterung erfüllen. Nachteilig mag sein, das nur für Projekt Pi fertige Charaktere gestellt werden. Wer die entsprechenden Ausgaben der Cthuloide Welten und den ersten Sonderband nicht hat, muss bei der Charaktererschaffung improvisieren.


Hinter den Schleiern
von Steffen Köhn, Frank Heller, Ingo Ahrens und Peer Kröger
Pegasus Press; 2003
120 Seiten; €  14.80 (bei
Pegasus)