River of Cradles
Rezension von Ingo Tschinke

Diejenigen, die sich in der Vergangenheit darĂŒber geĂ€rgert hatten, dass die RuneQuest-Glorantha-ErgĂ€nzungsbĂ€nde der 2. Edition aus dem Hause Chaosium vergriffen sind, durfen jetzt aufatmen, denn mit River of Cradles haben sich Charlie Krank, Sandy Petersen Lynn Willis gleich vier erfolgreiche ErgĂ€nzungsbĂ€nde vorgenommen und bei Avalon Hill in einer Neuveröffentlichung herausgebracht. Hierbei handelt es sich um die ErgĂ€nzungsbĂ€nde „Cults of Prax“, „Pavis“, „Big Rubble“ und „Borderlands“ (Anm. des SnS-Redakteurs: die „Glorantha Classics“-Reihe von Moon Design repruduziert diese alten Supplements VOLLSTÄNDIG).

Das Buch River of Cradles befasst sich mit dem Fluss Zola Fel, der die Ebene von Prax von den WĂŒsten trennt, und der Bevölkerung, die in und rund um dieses Flusstal lebt. Mit River of Cradles ist es gelungen, fast alle Informationen, die im „Cults of Prax“, „Pavis“, „Big Rubble“ und „Borderlands“ enthalten sind, zusammenzufassen und dem Leser in einer geordneteren und ĂŒbersichtlicheren Form nahe zu bringen Man stellt beim Lesen von River of Cradles sehr schnell fest, dass die HauptschauplĂ€tze der KampagnenbĂŒcher der 2. Edition in der Neuauflage zu NebenschauplĂ€tzen geworden sind, so dass man dort die alten Kampagnen durchaus noch spielen kann (sofern man sie besitzt) und sie sich nicht mit der neuen Kampagne ĂŒberschneiden.

In River of Cradles sind alle Informationen enthalten, die man zur Spielleitung fĂŒr eine Kampagne am Zola Fel benötigt. Dies reicht von Abhandlungen vom Handel in Prax, ĂŒber Zahlungsmittel, bis hin zum Flussverkehr. Darauf folgt eine ausfĂŒhrliche Historie und eine Beschreibung der Geographie der Flußregion, als auch eine Klimatabelle. Besonders umfangreich ist die Beschreibung der menschlichen und nichtmenschlichen Bevölkerung des Flusstales. Diese Beschreibungen wurden grĂ¶ĂŸtenteils fast wortwörtlich dem "Borderlands" entnommen. Dabei sind die Beschreibungen der nichtmenschlichen PraxstĂ€mme der Agimori (Men-and-a-Half) und Morokanten besonders interessant, da sie an keiner anderen Stelle bisher in solch einer AusfĂŒhrlichkeit behandelt wurden. In der Auflistung der verschiedenen Völker wird darauf Wert gelegt, zu vermerken, in welchen anderen RuneQuest-ErgĂ€nzungsbĂ€nden man noch Informationen ĂŒber die jeweiligen Völker findet.

Darauf folgt die Schilderungen der Örtlichkeiten am Zola Fel-Fluss. Diese entstammen ebenfalls zum Großteil aus den alten RuneQuest-ErgĂ€nzungsbĂ€nden. Hierbei handelt es sich um die Hafenstadt Corflu, die "Grantlands" (ehemals Borderlands), die Sonnengrafschaft, Neu-Pavis und den "Big Rubble". Die Beschreibungen haben teilweise unter der Zusammenfassung gelitten, da viele Information der alten Ausgaben unerwĂ€hnt bleiben. Besonders die Darstellung vom "Big Rubble" hat sehr gelitten, denn im River of Cradles sucht man z .B. vergebens nach der schönen und ausfĂŒhrlichen Beschreibungen des "Gartens". Aber es wurde die schöne Karte von Neu-Pavis des alten Pavis-Kampagnenbuches wieder beigelegt, ebenso wie eine neue (und bessere) Karte des "Big Rubble" und eine Übersichtskarte des gesamten Flusstales. Auf der letzteren Karte fĂ€llt allerdings auf, dass sich die Anzahl der verzeichneten Örtlichkeiten gegenĂŒber der Ă€lteren verzehnfacht hat. Man ging scheinbar im River of Cradles von einer erhebliche höheren Bevölkerungsdichte der Siedler aus, als in dem Pavis der 2.Edition angenommene.

Der zweite Teil des Buches widmet sich einer ausfĂŒhrlichen AnfĂ€nger-Kampagne, bei der die Spielercharaktere einer Verseuchung des Flusses durch chaotische Gorps entgegentreten. Dabei wird von den Autoren besonders Wert darauf gelegt, den Spielern die Bedeutung eines Gottes im Kontext mit dem Alltag und den Mythen und deren Verbindungen zur BewĂ€ltigung großer Aufgaben nahezubringen In dieser Kampagne reisen die Spielercharaktere den Zola Fel flussaufwĂ€rts und werden durch die BewĂ€ltigung der sich ihnen stellenden Aufgaben zur Errettung des Flusses von der Gorpseuche zu Helden fĂŒr das Flussvolk. Wobei sich das "Showdown" dieses Abenteuers etwas schwierig gestaltet und von den Autoren zu viele Dinge offen bleiben: Wie kĂ€mpft man unter Wasser? Wie ist Oll zu beseitigen? Wie wirkt das Gas eines Walktapi unter Wasser? Man kann durchaus behaupten, dass das Abenteuer bis zur 2/3 seines Verlaufs gut spielbar ist, das Ende konnte aber durchaus lösbarer und konkreter gestaltet sein könnte. Am Ende der Kampagne können erfolgreiche Charaktere durchaus aber eine solche PopularitĂ€t erlangen, dass sie spĂ€ter durchaus beim Herzog Raus von Rone Anstellung finden oder leichteren Zugang in die Sonnengrafschaft bekommen können.

Im hinteren Teil befinden sich acht fertige Charaktere, die man jedem AnfĂ€nger auf Glorantha bestens empfehlen kann, da man neben deren Statistiken auch viel ĂŒber ihre Motivationen, Kultur und ihren Glauben erfĂ€hrt. Allerdings kann man bei diesen Charakteren auf keinen Fall davon sprechen, das es sich um AnfĂ€ngercharatere handelt, den ihre Werte sind schon fast ĂŒberdurchschnittlich und sie sind mit Magie vollbepackt. Alle diese Charaktere sind an andere Gottheiten gebunden, so dass es wĂ€hrend des Abenteuers etwas schwierig sein dĂŒrfte den Spieler zu erklĂ€ren, das z.B. ein Windkultist (Orlanthi) oder ein von einem Feuergott erschaffenes Wesen (Agimori) fĂŒr eine Wassergottheit predigen sollen, ohne dabei in einen Glaubenskonflikt zu geraten. Man stelle sich z .B. vor, ein AnhĂ€nger der Roten Göttin wurde auf einmal und ohne ihre Zustimmung zu einem Orlanth-Kulthelden Dies erscheint mir etwas widersprĂŒchlich.

Dem Abenteuer folgen ausfĂŒhrliche Kultbeschreibungen der wichtigsten Kulte aus „Cults of Prax“: Daka Fal, Sturmbulle, Orlanth, Issaries, Lhankor Mhy, Chalana Arroy und (aus der Pavis-Box) Zola Fel.

Insgesamt kann man River of Cradles, trotz einiger MĂ€ngel, als einen gelungenen ErgĂ€nzungsband der "RuneQuest-Renaissance" bezeichnen Ein Leser von River of Cradles, der die alten RuneQuest-Supplements besitzt, bekommt einige neue Informationen und eine Abenteuer-AnfĂ€ngerkampagne, die er gut vor den alten Kampagnen spielen kann Ein Leser, der keine alten Ausgaben der 2. Edition besitzt, bekommt mit dem River of Cradles neue und umfangreiche Informationen und Abenteuer, auf die sich die Abenteuer von „Sun County“, „Shadows on the Borderlands“ und „Strangers in Prax“ aufbauen (letztere sind noch bei AH in Bearbeitung). Leider hat Avalon Hill fĂŒr River of Cradles nur teilweise dieselben Illustratoren verpflichtet, die auch an Sun County beteiligt waren. Das hervorragende Frontcover von Roger Raupp tĂ€uscht kaum ĂŒber die etwas plumpen neuen Illustrationen im Inneren von River of Cradles nur schwerlich hinweg, die manchmal sogar einen Vergleich mit Kinderzeichnungen durchaus zulassen Die besseren Illustrationen stammen gĂ€nzlich aus den alten Chaosium-Puplikationen. Im weiteren muss man dem im River of Cradles zu findenden Abenteuer die bereits erwĂ€hnten Kritikpunkte und Unklarheiten vorhalten Zusammenfassend kam man aber trotz alledem behaupten, dass River of Cradles sein Geld wert ist, denn es dĂŒrfte kaum möglich sein, die gesamten alten Informationen mitsamt der dazugehörigen Abenteuer in einem neuen Band unterzubringen. Es kann sich als derjenige noch immer als glĂŒcklich einschĂ€tzen, der die alten ErgĂ€nzungsbĂ€nde sein eigen nennt.


River of Cradles
von Charlie Krank, Lynn Willis, Sandy Petersen, Greg Stafford, Steve Perrin und Ken Rolston
Avalon Hill; 1992
178 Seiten, (Out of Print)


Diese Rezension wurde entnommen aus „FreeINT“ Nr. 4 und ist © Copyright 1993, 2002 by Ingo Tschinke