Zeit für eine Geistergeschichte
von Sandy Petersen
Ãœbersetzung von
Robert Maier

Viele wissen, daß Sandy Petersen (also ich!) einmal einen Geist gesehen hat, und man hat mich schon öfter gebeten, davon zu erzählen. Und das tue ich hiermit. Diese Geschichte ist wahr, Leute. Sie ist mir tatsächlich passiert, genau so wie ich es gleich beschreiben werde. Wenn das, was ich erzählen werde, nicht mit euren Vorstellungen von der Realität übereinstimmt... dann ist es wohl an der Zeit, daß ihr eure Vorstellungen von der Realität ändert, würde ich meinen.

DAS JAHR: 1966. Sandy ist elf Jahre alt.

DER ORT: ein kleinbürgerliches Wohnviertel in Provo, Utah.

HINTERGRUND: Unserem Haus gegenüber, auf der anderen Straßenseite, stand ein Haus leer. In den Wänden waren große Löcher, die Fenster fehlten, das Dach war teilweise eingestürzt. Als Kinder waren wir fest davon überzeugt, daß es dort spukte. Selbstverständlich richteten wir unser Bandenversteck über der Garage dieses Gespensterhauses ein. Im Haus selbst gab es keine Stellen, die für solche Zwecke ausreichend geschützt gewesen wären, es waren ja nirgends Fenster oder Türen.

Das Haus hatte einen Keller, aber der war sogar uns zu gruslig. Wir wußten, daß es im Keller gefährliche DINGE gab. Einmal wagte ich mich die Treppe etwa zu einem Drittel hinunter, aber dann hatte ich zuviel Angst und rettete mich wieder ans Tageslicht. Eins der anderen Kinder behauptete, es sei bis ganz nach unten gegangen und hätte dort eine vermummte dunkle Gestalt gesehen. Wir waren alle zutiefst beeindruckt.

Ganz tief im Innern war uns natürlich klar, daß es in dem Haus gar nicht wirklich spukte und daß es auch keine vermummte dunkle Gestalt gegeben haben konnte. Es machte eben Spaß, so zu tun als ob. Aber dadurch fing ich an, über Geister nachzudenken. Recht viel. Ich glaube, das hat ziemlich zu meiner echten Geisterbegegnung beigetragen.

DAS EREIGNIS: Es war Nacht. Kein Auto war unterwegs. Auch keine Leute, außer mir. Es war ein bißchen neblig (Nebel ist ungewöhnlich in Utah). Ich schaute die Straße lang und sah mich mit Überraschung und Entsetzen mit der nebelhaften Gestalt einer riesengroßen Frau konfrontiert.

Sie war über drei Meter groß und trug einen großen, vollen Rock, wie man sie im letzten Jahrhundert hatte. Ihr Körper schien vollständig aus Nebel zu bestehen. Ich konnte keine Einzelheiten ihrer Gesichtszüge oder ihrer Kleidung ausmachen. Ihr Haar verschwamm in der Nachtluft. Sie befand sich neben einer Straßenlaterne und bewegte sich unangenehm schnell auf mich zu. Nach dem anfänglichen Schrecken (ich lief sogar ein Stück weit davon) stellte ich aber fest, daß sie gar nicht näher herankam. Ihr nebelhafter Körper bewegte sich, als komme sie auf mich zu, doch sie blieb fest am Fleck und kam nur scheinbar von der Stelle. Ihre Taille war sehr schlank. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich Arme sehen konnte oder nicht. Ich konnte stehenbleiben und sie eine Weile anschauen.

Sie befand sich genau auf meinem Heimweg. Ich kann mich erinnern, daß mir die Vorstellung sehr unangenehm war, näher an sie heranzugehen. Die Erscheinung rief in mir eine Angst hervor, die trotz meiner Faszination vollkommen überwältigend war. Wie ich nach Hause kam, weiß ich nicht mehr. Aber das Bild, wie sie dort in der Luft hing und auf der Stelle "voraneilte", werde ich nie vergessen.

WAS WAR SIE? Ich kann nicht sagen, ob es sich tatsächlich um den Geist einer Toten handelte. Aber gleich, was sie darstellte, sie war auf jeden Fall ein schönes Beispiel für das, was wir normalerweise als "Geist" bezeichnen.

KANN DAS NICHT AUCH EIN LICHTEFFEKT VON DEN STRASSENLATERNEN IM NEBEL GEWESEN SEIN? Vielleicht. Ob asymmetrische Beleuchtung durch eine Straßenlampe so ein perfekt symmetrisches Bild hervorrufen kann? Es ging auch kein Wind, warum sah es dann so aus, als bewegte sich der Nebel?

KANN DAS NICHT AUCH EINE HALLUZINATION GEWESEN SEIN? Das glaube ich eigentlich nicht. Ich habe auch schon Halluzinationen gehabt (nein, fragt nicht weiter), und das war vollkommen anders.

WAS ÜBERZEUGT DICH VON IHRER ÜBERNATÜRLICHEN HERKUNFT? Moment, ich behaupte nicht, daß ihr Bild nicht vielleicht auch auf natürliche Ursachen zurückgeführt werden kann. Ich sage bloß, daß ich es nicht erklären kann. Ich habe es gesehen. Ich habe nie wieder etwas Vergleichbares gesehen.