Übersetung von Jörg Baumgartner

Von der Natur des Horrors
Betrachtung ĂŒber die drei Typen des Horrors,

In meinen Studien und meiner LektĂŒre ĂŒber das Wesen des Horrors bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Horror in drei Typen auftritt. Alle drei Typen eignen sich fĂŒr Cthulhu - das Rollenspiel.

Der erste Typ ist der konventionelle Horror, der hĂ€ufigste Stil. Hier beginnt der Protagonist in einer normalen Welt. Dann drĂ€ngt sich eine Art schrecklicher Eindringling in seine Weltanschauung, dieser Eindringling kann ein Monster, ein Geist oder einfach eine schreckliche psychologische Tatsache sein. Der Eindringling kann den Protagonisten zerstören oder verĂ€ndern, oder er kann (recht oft) besiegt werden AutoritĂ€tspersonen spielen in diesen Geschichten hĂ€ufig eine wichtige Rolle - die aufgebrachte Dorfbevölkerung, die Polizei, die Armee, die Gruppe Wissenschaftler. Manchmal werden die AutoritĂ€ten missachtet, manchmal haben sie Erfolg, aber immer werden sie als wichtig angesehen Am Ende der Geschichte hat sich der Eindringling von der Welt zurĂŒckgezogen und lĂ€sst uns, die Leser, zuhause in Sicherheit zurĂŒck, mit dem erwĂŒnschten GefĂŒhl der LĂ€uterung. Robert Louis Stevensons Roman "Der Seltsame Fall des Doktor Jekyll und Mr. Hide" ist ein beispielhafter Vertreter dieses Typs von Geschichte. Der ausgezeichnete deutsche Film "Nosferatu" ist ein gutes Beispiel fĂŒr dieses Genre im Film Andere Beispiele sind der moderne Film "Alien" und H.P. Lovecrafts Geschichten "Das Grauen von Dunwich" und "Schatten ĂŒber Innsmouth".

Der zweite Typ ist der psychologische Horror. Dieser tritt seltener auf als der konventionelle Horror, ist aber eine ziemlich alte Form Wiederum beginnt der Protagonist in einer normalen Welt. Er wird dann von Ereignissen der Alptraumwelt heimgesucht - das oben beschriebenene Eindringen, und am Ende der Geschichte bleibt er dort zurĂŒck, hilflos und unfĂ€hig, in die normale Welt zurĂŒckzukehren Diese Geschichten sind in der Regel sehr aufrĂŒttelnd und sie sind schwerer zu schreiben als konventioneller Horror. Shirley Jacksons erschreckendes "Wir haben immer in der Burg gelebt" (We have always lived in the Castle) ist ein großartiges Bude in dieser Tradition, wie auch der gute deutsche Film "Das Kabinett des Dr. Cagliari". Andere Beispiele wĂ€ren der moderne Film "Videodrome" und H. P. Lovecrafts Gechichte "Die Ratten im GemĂ€uer".

Der dritte Typ ist der anarchische Horror, von einigen Autoren der spĂ€ten 80er Jahre "Splatterpunk" genannt. Derartige Geschichten sind im allgemeinen ziemlich blutrĂŒnstig. Die MĂ€chte der AutoritĂ€ten zeichnen sich durch ihre Abwesenheit oder im besten Fall Machtlosigkeit aus. Aber das wahre Geheimnis hinter dieser Art Horror ist die Natur der Geschichte: Der Protagonist befindet sich zu Anfang wie immer in der normalen Welt. Dann geschieht etwas schreckliches, und er erkennt, dass die "normale Welt' nicht existiert! Die Alptraumwelt, die jetzt auf sein Bewusstsein einwirkt, ist die wirkliche Welt, und nur seine eigene Blindheit hatte ihn vor dieser Erkenntnis bewahrt Am Ende der Geschichte lebt der Protagonist in der "wirklichen" Alptraumwelt. Im Unterschied zu dem psychologischen Horror wird im anarchischen Horror auch der Leser in der Alptraumwelt zurĂŒckgelassen, weil es außer dieser Welt keinen Ort gibt, an dem er sich aufhalten könnte. Clive Barkers BĂŒcher sind das bekannteste moderne Beispiel dieses Stils, und manchmal wird ihm und einer Handvoll anderer Autoren die Erfindung dieser Stilrichtung zugeschrieben Ich bin allerdings der Ansicht, dass H.P. Lovecraft selbst dieses Konzept in den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts verwendet hat. Richard Mathesons Buch "I am Legend" fĂ€llt meines Erachtens in diese Kategorie, obwohl es nicht halb so blutrĂŒnstig wie spĂ€tere BeitrĂ€ge zu diesem Genre ist. Die GĂ€nsehaut erregenden Filme von George Romero, beginnend mit "Nacht der lebenden Toten", sind ebenfalls gute Beispiele dieser Art Horror. In fast allen Zombiefilinen wird die alte Welt durch die neue Welt des Zombieterrors ersetzt, und Protagonist wie Zuschauer werden mit dem ultimaten Ende fĂŒr die gesamte Welt konfrontiert. H.P. Lovecrafts Geschichte "Cthulhus Ruf" fĂ€llt in diese Kategorie, auch wenn sie am Ende scheinbar den Status Quo wiederherstellt - bei genauem Lesen erkennt man, dass die gesamte Wirklichkeit auf den Kopf gestellt wurde; die Menschheit, weit davon entfernt, Herrscher des Planeten zu sein, stellt sich als kurzlebige kosmische Maden heraus, die in KĂŒrze von den wahren Herren der Erde von dieser gewischt werden, von Wesen, die nicht einmal den gleichen Naturgesetzen gehorchen wie wir.


Dieser Artikel erschien ursprĂŒnglich im Rahmen des amerikanischen “Chaosium Digest”, einem Internet-Newsletter. Diese deutsche Übersetzung wurde entnommen aus „FreeINT“ Nr. 4, dem ersten Cthulhu-Special und ist  © Copyright 1993, 2002 by Sandy Petersen.